„Oh my god, we’re back again..“

Hallo und herzlichen Willkommen zurück auf meinem sehr kleinen Blog in der weiten Welt der Blogosphäre. Mehr als zwei Jahre ist es nun her, dass ich dieses Blog gegründet und auch darauf gepostet habe.

Eigentlich sollte der Blog mit Erinnerungen aus meinem aufregenden Auslandsjahr gefüllt sein. Doch dann kam alles anders…

Die etwas längere Geschichte habe ich bereits während des Aufenthalts in Amerika für die lokale Zeitung meiner Heimatstadt sowie für die Schülerzeitung meines ehemaligen Gymnasiums zusammengefasst. Aber Achtung! Die Story ist und bleibt lang. Und das, obwohl sie „nur“ von den ersten sieben Monaten meiner einundeinhalb Jahre in den Staaten handelt. Also, sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt 😀  Los geht’s!

 

„Quite a journey“ – Ein Jahr als Au Pair im Ausland

Zwölf Monate USA. Entdecken, Erfahren, Lernen. So sah mein Plan für die Zeit nach dem Abitur am Friedrich-Spee-Gymnasium aus. Für mich bot sich die Gelegenheit dies mit meiner Freude am Arbeiten mit Kindern zu verknüpfen, indem ich als Au Pair arbeiten würde. Um sich als potenzielles Au Pair bei einer Organisation zu qualifizieren, muss man mindestens zweihundert Stunden an Erfahrungen mit der Arbeit mit Kindern vorweisen. Diese durfte ich in der Kita und beim Babysitten sammeln. Des Weiteren liegen ein langer Bewerbungsprozess, ein Interview und ein Persönlichkeitstest an. Ist das geschafft kann es losgehen mit dem Skypen und Telefonieren mit Familien, die an einer Zusammenarbeit interessiert sein könnten. Als Bewerberin hat man keinen Einfluss auf die Familienvorschläge – die Familien schauen sich auf der Website der Agentur die unterschiedlichen Profile der Bewerberinnen an und entscheiden welche am besten zu ihren Kindern und ihrem Lifestyle passen könnte. All dies passiert in der Regel Monate bevor das eigentliche Abenteuer los geht und so stand für mich schon im April des Jahres 2014 fest, dass es für mich mitten ins Herz der Stadt Chicago im Bundesstaat Illinois gehen würde.
Mein Auslandsjahr begann am Montag den 28. Juli 2014 genauso stürmisch wie es in den kommenden Monaten weiter gehen sollte. Gemeinsam mit einer Gruppe von elf Mädchen hieß es an diesem Montag am Düsseldorfer Flughafen Abschied von Familie und Freunden, und allen die uns in unseren bisherigen Lebensjahren stets begleiteten, nehmen. Dieser Abschied fiel gewiss keiner von uns leicht, sollten wir doch für die nächsten zwölf bis zu dreizehn Monate voneinander getrennt sein.
Kaum war die erste Hürde geschafft lautete es unser Flug habe Verspätung, da ein Unwetter über England tobte. Als wir endlich in London ankamen hatten wir bereits unseren Anschlussflug nach New York verpasst und konnten erst am nächsten Morgen weiter fliegen – über Edinburgh in Schottland nach New Jersey. Au Pairs besuchen eine sogenannte „Orientation“ (zu dt.: Einarbeitung) bevor sie ihr Auslandsjahr als Nanny bzw. Babysitter antreten dürfen. Diese dauert ca. vier Tage und beinhaltet eine Sightseeing Tour durch New York. Leider war uns diese Tour aufgrund des verspäteten Fluges nicht vergönnt gewesen und so hatten wir nur noch zwei ein halb Tage, um über Erste Hilfe, kulturelle Unterschiede und die verschiedenen Stadien unseres Auslandsaufenthaltes aufgeklärt zu werden. Am Donnerstag wurde es dann nach wenigen Stunden Unterricht bereits Zeit für den Aufbruch in unsere zukünftigen Gastfamilien, für die wir bald arbeiten würden.
Und damit ging für mich das Bangen los. Der verspätete Flug war für mich noch Teil des großen Abenteuers gewesen, als es dann aber darauf zu ging seine Gastfamilie kennen zu lernen, wurde ich nervös. Was, wenn wir doch nicht zusammen passen sollten? Hatte ich oft genug mit den Eltern der Kinder, auf die ich aufpassen würde geskypt, um sie so gut wie möglich kennen zu lernen? Und wenn die Mutter dann doch zu hohe Anforderungen haben sollte? Wenn sie nicht nur streng sondern auch unfair wäre? Meine Vorgängerin welche bereits ein Jahr in der Familie als Au Pair gearbeitet hatte, hatte mich vorgewarnt, die Mutter meiner zukünftigen Gastkinder sei nicht einfach zufrieden zu stellen.
So waren dies alles Gedanken die ich so gut wie möglich zu verdrängen versucht hatte und denen ich nun leider nicht mehr länger würde ausweichen können. Nach einer Busfahrt, einer langen Wartezeit am Flughafen und weiteren zwei ein halb Stunden Flug kam ich gemeinsam mit einer Polin, die wie ich auf dem Weg nach Chicago zu ihrer Gastfamilie war, am Airport O’Hare an.
Wie befürchtet, bestätigten meine Sorgen sich sehr kurz nach meiner Ankunft und ich wurde nie glücklich bei meiner ersten Gastfamilie.
Die Arbeitszeiten, Anforderungen und Gegenleistungen – nichts schien zusammen zu passen und die Mutter war durch Beruf und Studium so überlastet, dass sie am Ende des Tages ihre Launen stets an mir ausließ. Auf Dauer verletzte mich dies ziemlich und ich erkannte bald, das ein Auslandsjahr in dieser Familie mich eher kaputt machen als stärken würde. Die Kinder (5 und 7 Jahre alt) waren liebenswert und machten es mir sehr schwer die Familie zu verlassen, genau wie diese unglaubliche Stadt, welche ich so gerne noch besser kennengelernt hätte. Meine neu gewonnenen Freundinnen unterstützen mich so gut sie konnten, um mir zu helfen einen Neustart zu wagen, auch wenn es einen baldigen Abschied mit sich bringen würde.
Wenn es zwischen Au Pair und Familie nicht funktioniert und das Au Pair sein Glück weiterhin (ver-) Suchen möchte gibt es durch ein sogenanntes „Rematch“ die Chance die Familie (und oftmals gleich den Staat) zu wechseln. Im Rematch hat das Au Pair dann nur zwei Wochen Zeit um eine neue Familie zu finden. Tut es dies nicht, heißt es „Auf Wiedersehen Amerika, Willkommen zurück in der Heimat!“. Nun hatte ich bereits seit über einem Jahr geplant ins Ausland zu gehen, alle Auflagen erfüllt, um mich zu qualifizieren und Familie und Freunden für bis zu dreizehn Monaten Lebewohl gesagt. Eine Rückkehr kam für mich nicht in Frage.
Das Rematch war hart; die Familienvorschläge kamen sehr schleppend und gering herein. Meine Angst, nach nur etwa einem Monat im Ausland wieder nach Hause zu müssen, wuchs mit jedem Tag an dem ich keine Neuigkeiten erfuhr. Schließlich hatte ich die Wahl zwischen einer Familie mit drei Kindern in New Jersey von der mir dringend abgeraten wurde und einer in Kalifornien, ebenso mit drei Kindern im Alter von zwei und vier Jahren (Zwillinge). Der Haken an der Familie in Kalifornien: Deutsche Auswanderer. Eine deutsche Community, deutsche Schule, deutsche Sprache, deutsches Essen und Traditionen. Ausgerechnet ich, die ich großen Spaß an der englischen Sprache habe und liebend gerne mehr über amerikanische Kultur, Glaube und Traditionen erfahren wollte, sollte mit einer deutschen Familie zusammen leben. Generell ist daran nichts auszusetzen, dafür war ich nun aber nicht ins Ausland gegangen.
Da mir keine große Wahl blieb, entschied ich mich der Familie im Silicon Valley eine Chance zu geben und zog Ende September von der Ostküste an die Westküste. Eine Wendung meines Auslandjahres mit der ich vorher in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet hatte.
Einigermaßen unerwartet ging es für mich in den folgenden Monaten weiter; Aufgaben fielen an, die nicht in meinem Arbeitsbereich lagen, war die Familie in mancher Hinsicht noch so Deutsch konnte sie in Anbetracht anderer Aspekte eigentlich nicht amerikanischer sein. Trotzdem blieben Kultur und Tradition aus, genau wie die englische Sprache. Die Familie sprach ausschließlich Deutsch. Wenn es einmal Bekannte vorzustellen gab, waren sie Deutsch. An Weihnachten fuhren wir extra fünfzig Minuten nach San Francisco, um einen deutschen Gottesdienst zu erleben. Mehrere Versuche meinerseits Englisch mit den Kindern sowie mit den Eltern zu sprechen wurden abgeblockt und auch auf dem Spielplatz während der Kinderbetreuung traf man selten jemanden an dessen Muttersprache Englisch war. Generell schien Kommunikation unmöglich. Gab es Probleme, hieß es diese auszustehen oder zu ignorieren, Unterstützung bekam ich keine.
Die Arbeit machte mich nicht glücklich. Meine Stundenanzahl wurde immer weiter erhöht, bis ich das Maximum an Stunden längst überschritten hatte. Meine kostbare Freizeit, in der ich dann wenigstens etwas von Amerika erleben wollte, immer begrenzter. Zeit um Kurse an einem College zu belegen blieb mir keine.
Ich fühlte mich furchtbar gefangen, da ich weder der Familie, noch den Kindern oder mir ein weiteres Rematch antun wollte. Die Situation musste erst eskalieren, um mir aufzuzeigen, dass eine weitere Chance bestünde. Dass ich nichts zu verlieren hätte, egal ob ich eine neue Gastfamilie finden oder nach Hause geschickt werden würde.
Ich wagte den Schritt in mein zweites Rematch mit dem neuen Jahr – und wurde auf die Straße gesetzt. Zum Glück finden Au Pairs schnell Freunde in ihrem sogenannten „Cluster“ (zu dt.: bestimmter Bezirk, innerhalb eines Staates, in welchem Au Pairs einer Organisation leben); so haben wir alle ähnliche Situationen, Probleme sowie Träume.
Ich durfte bei der Gastfamilie einer Freundin für eine Woche untertauchen und wurde auch ansonsten von meinen Freundinnen so gut unterstützt, dass ich sagen muss, ich wüsste nicht ob ich jetzt tatsächlich noch meinen Traum vom Auslandsjahr leben würde, wenn sie nicht gewesen wären.
Mir bot sich die Gelegenheit einen Monat einen temporären Job bei einer mir bereits bekannten Familie zu übernehmen, bis ihr neues Au Pair aus Kolumbien anreisen würde und ich eine neue Gastfamilie gefunden hätte. Diese Familie gehört dem Mormonentum an und erwartete jederzeit ihr fünftes Kind. Langweilig wurde es mir da bestimmt nicht.
Die Familie hatte ihr Au Pair aufgrund eines Skiunfalls nach Hause senden müssen und freute sich Unterstützung zu erhalten, während ich Arbeit, Kost und Logis dankend annahm. Ich habe die Zeit in der Mormonischen Familie genossen. Hier galt es zusätzliche Traditionen kennenzulernen und auf sehr freundliche Menschen zu stoßen.
Durch die Gastmutter einer sehr guten neuen Freundin, die ich hier im Silicon Valley kennen lernen durfte, wurde ich meiner jetzigen Gastfamilie bekannt gemacht. Es war „Liebe auf den ersten Blick“: Interessierte, offene, hilfsbereite und liebenswürdige Menschen,  absolut amerikanisch und viele neue Chancen die sich mir bieten würden. Hinzu kam, dass ich weder meine neuen Freunde noch das wunderschöne Kalifornien hinter mir würde lassen müssen.
Die Familie hatte gerade ihre Nanny verloren und war auf der Suche nach Ersatz. Da sie mit dem Au Pair Programm noch nicht vertraut waren, blieb lange ungewiss ob sie mich tatsächlich als Betreuung für ihre Tochter anstellen würden. Das Glück schien jedoch endlich auf meiner Seite zu sein, so wurde die Familie Teil des Programms und traf alle Vorbereitungen während ich weiter für die mormonische Familie arbeitete. Ich durfte miterleben, wie der bisher Jüngste dieser Familie fünf Jahre alt und eine Woche darauf das Baby geboren wurde, bis es Zeit für meinen letzten Umzug war.
Seit Februar bin ich nun in meiner finalen Gastfamilie. Endlich stimmt alles – ist sogar besser als das. Ein Teil der Familie zu sein und geschätzt zu werden ist so wichtig, fernab von seinen eigentlichen Freunden und Familie. Nun wo dies für mich Realität geworden ist, kann ich meinen Traum vom Auslandsjahr nun nicht mehr nur träumen, sondern auch leben.
Um möglichst viel aus der mir gegebenen Chance zu machen, habe ich mich entschieden mein Auslandsjahr um ein knappes halbes Jahr zu verlängern. So kann ich tatsächlich das amerikanische Leben inklusive Traditionen und Sprache erleben, wie ich es mir vor meiner Ausreise erträumt hatte und Weihnachten wieder bei meiner Familie verbringen. Akademisch belege ich Unterricht im Fachgebiet Marketing und hoffe im Herbst an der angesehenen Stanford University Kurse belegen zu können, um mich auf ein Studium vorzubereiten.
Um angehenden Au Pairs einige Ratschläge mit auf den Weg zu geben, kann ich nur wiederholen, wie wichtig es ist, die Familie mit der ihr die nächsten zwölf Monate verbringen wollt so gut wie nur möglich kennen zu lernen. Skypt oder telefoniert so viel ihr könnt. Sollte die Familie euch dies verweigern, sei es auch nur aus Zeitmangel, ist es nicht die richtige Familie. Die richtigen Familien wollen schließlich auch nur das Beste für ihre Kinder, nehmen die Aufgabe Betreuung für diese zu finden sehr ernst und behandeln ihr Au Pair mit Respekt.
Traut euch mit euren Fragen ins Detail zu gehen, auch wenn es euch unangenehm sein sollte. Beispielsweise hatte ich mich nicht getraut zu fragen, ob eine meiner bisherigen Gastfamilien eine Putzfrau habe und wurde böse überrascht. Und zu guter Letzt: Wenn, aus welchen Gründen auch immer, die Chemie zwischen Familie und Au Pair nicht passen sollte, seid mutig und wagt den Schritt ins Rematch. Ob es die Situation wirklich verbessern wird ist fraglich. Jedoch werdet ihr es niemals erfahren, solltet ihr es nicht versuchen.
Jedes Mal, wenn ich nach meinen bisherigen Erlebnissen und Erfahrungen gefragt werde, habe ich nur eine Antwort in meinem Kopf: „It’s been quite a journey.“ (zu dt.: „Es ist ein ganz schönes Abenteuer gewesen.“). Denn mit keinem dieser Erlebnisse hätte ich jemals gerechnet. Und doch bin ich unendlich dankbar für alles, denn eines ist sicher: Ich bin in den letzten zehn Monaten mit und an meinen Aufgaben sowie Rückschlägen gewachsen, habe wunderbare, internationale Freundinnen fürs Leben gefunden, durfte bereits einige der schönsten Orte in den USA bereisen und eine andere Denkweise und Kultur erleben. Ein voller Erfolg, oder?

Von Helena S.

 

Soo, das war sie, meine Geschichte rund ums Auslandsabenteuer.
Ich hoffe, ich konnte den ein oder anderen mitreißen und die Problematik von Au Pairs einigermaßen schildern.
Natürlich könnte man sich darüber streiten, ob es überhaupt eine gute Idee ist Au Pairs einzustellen oder ob sich die Eltern nicht lieber selbst um ihre Kinder kümmern sollten.
Fakt ist aber, das dies in vielen Familie nicht möglich ist und trotz all der Schwachpunkte und negativen Aspekte bringt das Au Pair Programm auch viele Vorteile mit sich.
Wie schon im Artikel erwähnt war das Auslandsjahr, bzw. die einundeinhalb Jahre im Ausland, für mich eine riesen Chance, die mich extrem weiter gebracht und stark gemacht hat.

Schließlich habe ich die Wohl beste und herzlichste Gastfamilie meine eigene nennen dürfen. Offene, weltgewandte, interessierte, engagierte, charismatische und liebenswerte Kalifornier, zu denen ich auch heute noch in engem Kontakt stehe und weiß, das sie mich stets wieder willkommen heißen würden. Und damit wurde mir das größte Geschenk gemacht, was man mir hätte machen können.

Abschließend noch einige Impressionen aus ca 17 Monaten USA:
(Tipp: Wenn ihr auf die Bilder klickt, könnt ihr sie auch in Groß anschauen.)